Sonntag, April 27, 2014

World Wide Depp

Er ist überall! Der Geist von Dr. Will Caster (Johnny Depp), die Hollywood-Variante von Ray Kurzweil, wird auf Initiative seiner Mitstreiterin und Frau erst auf einen Superduperrechner geladen und gelangt schließlich ins Internet. Damit beginnt das Unheil, bzw. - und das ist der besondere Dreh des Films - das Heil. Denn der nun digitalisierte KI-Forscher formt (to cast) nun alles nach seinem Willen (will) und meint es garnicht mal böse wie z. B. Skynet. Das ist alles ganz schrecklich unrealistisch, aber weder langweilig inszeniert noch schlecht gefilmt.

Nicht nur aufgrund der zeitlichen Nähe ist man versucht, Parallelen zu Spike Jonzes Her zu ziehen: Auch hier ist die Prämisse eines perfekt funktionierenden "KI-Betriebssystems" höchst unrealistisch, doch während Jonze damit einfühlsam zwischenmenschliche Probleme im digitalen Zeitalter verhandelt, präsentiert Wally Pfister in Transcendence eine geradezu biblische Version des Themas Künstliche Intelligenz, deren Botschaft sich mir noch nicht ganz klar erschlossen hat.

"Time has come for us to pause
And think of living as it was
Into the future we must cross, must cross
I'd like to go with you..."
Jorma Kaukonen: Genesis (1974)


Samstag, April 26, 2014

Die dunkle Seite des Kaleidoskops

Was hat Pink Floyds Dark Side of the Moon (1973) mit der Kurzgeschichte Kaleidoscope (1949) von Ray Bradbury zu tun? Erstaunlich viel, wie die musikalisch-visuell inszenierte Lesung To the Dark Side of the Moon des Schauspielers Daniel Rohr und des Komponisten Daniel Fueter eindrucksvoll zeigt. Kurzgeschichte und alle (!) Songs der legendären Pink Floyd-LP werden dabei so geschickt ineinander verwoben, dass man meinen könnte, sie hätten schon immer eine Einheit gebildet.

Daniel Rohr singt auch die Texte der Pink Floyd-Songs, begleitet von der Pianistin Eriko Kagawa und dem Galatea-Quartett, das auch perkussiv tätig wird. Kurzum: Ein bewegendes Bühnenerlebnis, das große existenzielle Fragen stellt: Welche Ängste quälen uns? Was ist der Unterschied von Leben und Tod? Wie sieht ein gelungenes Leben aus? Was unterschiedet Träume von Erinnerungen?

Dienstag, April 01, 2014

Her sehen!

Das simple Programm ELIZA sollte 1966 einen Psychotherapeuten simulieren und wurde von vielen Benutzern auf eine Weise für voll genommen, dass sich sein Programmierer Joseph Weizenbaum entsetzt zum engagierten Computerkritiker wandelte. Doch was ist das schon gegen das Operating System Samantha, in das sich der um seine gescheiterte Ehe trauernde Berufsbriefeschreiber Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) verliebt?

Wer die Prämisse schluckt, dass es in nicht allzu ferner Zukunft fehlerfreie Spracherkennung und ein quasimenschliches Betriebssystem gibt, der wird mit Her von Spike Jonze einen Film sehen, der weniger eine Auseinandersetzung mit der Frage nach Künstlicher Intelligenz ist, sondern wie ein Kaleidoskop die Irrungen und Wirrungen menschlicher Beziehungen im 21. Jahrhundert reflektiert. Jonze erzählt die Geschichte ebenso warmherzig wie humorvoll und gibt die Figuren nie der Lächerlichkeit preis. Verliebtsein, als gesellschaftlich sanktionierte Form des Wahnsinns, gewinnt in diesem Social Fiction-Film eine Qualität, die uns in Zeiten sozialer Netzwerke, Online-Datings etc. pp. nicht völlig fremd sein dürfte.

Die filmische KI hat sich gewissermaßen vom Heuristically programmed ALgorithmic computer (HAL, 1968) zum Heuristical Emotional opeRating system (HER, 2013) entwickelt. Mehr sei nicht verraten und der Film allen menschlichen Wesen - nicht nur solchen mit einer Schwäche für Betriebssysteme - sehr ans Herz gelegt.