Montag, Dezember 30, 2019

2020 im Vorhinein

Das Jahr 2019 war in jeder Hinsicht durchwachsen, auch im Bereich des Science-Fictions-Films. Immerhin haben wir den Monat des Blade Runner erreicht.

Doppelpunkte künden von einer schleichenden Versequelisierung des Kinoangebots. Es gab drei zweite Folgen, eine vierte, einen zwei-plus-x-ten Terminator-Film und einen Film mit sicherer Sequelerwartung, es gab gescheiterten Anspruch auf hohem Niveau („Ad Astra“), aber auch eine Perle wie „I am Mother“. Die Crew des SfSFF ist gespannt, ob 2020 die zu erwartende Klarsicht bringen wird, freut sich aber schon mit Macht auf die nächsten Sichttermine.

WIR (Theater)

Montag, November 18, 2019

Gardinenpredigt mit Äkschn

Braucht die Welt einen sechsten Terminator-Film? Nicht unbedingt, aber wenn er ausfällt wie Terminator: Dark Fate, dann gibt es auch keinen Grund über Gebühr zu klagen. Hochtourige Äkschn paart sich mit augenzwinkerndem bis grimmigen Humor und einer genderkorrektiven "Drei Teufelsweiber für Arnie"-Konstellation. Das anfängliche Setting in Mexiko lässt sich zudem als politischer Kommentar in Richtung Mr. Dump deuten.

Überraschend ist sicher, das der Film an den unübertrefflichen Terminator 2 andockt und die Gechichte alternativ von einem nie stattgefundenen "Judgement Day" in die heutige Gegenwart weiter spinnt. Sarah Connor hat sich all die Jahre als freischaffende Terminatorenexekutorin verdingt und muss sich mit einer alternativen Zeitschleife und zwei weiteren starken Frauen arrangieren.

Sarahs Begegnung mit einem geläuterten Terminator, der ihren Sohn John auf dem Gewissen hat, und das Auftauchen eines neuen ultragnadenlosen Terminators aus der Zukunft kulminieren nach zünftigen Verfolgungsjagden in einer Keilerei im Riesenstaudamm. Vom bloßen Zuschauen vermeint man, blaue Flecken und Muskelkater davonzutragen. Ist das alles zwingend und tiefschürfend? Nein, aber durchaus unterhaltsam.

Dienstag, November 12, 2019

Donnerstag, Oktober 03, 2019

Pappa ante Neptun

Ad Astra von James Gray macht es einem nicht leicht. Großartige Weltraum-Schauwerte wechseln mit introspektiven Sequenzen der Hauptfigur Roy McBride (Brad Pitt) ab, für die mir das Wort „morose“ passend erscheint. Die „nahe Zukunft“, in welcher der Film zeitlich angesiedelt ist, dürfte in einer Parallelwelt spielen, in der die Apollo-Ära mit ungebremstem Optimismus in Richtung Mars und äußeren Planeten des Sonnensystems aufbrechen konnte. Routine, Kommerz und Misstände wie „Mondpiraten“ durchziehen die ambitionierten Raumfahrtunternehmungen der „nahen Zukunft“.

Roys Vater Clifford (Tommy Lee Jones) ist 30 Jahre zuvor zum Neptun aufgebrochen, um dort (bzw. von dort aus) nach außerirdischen Intelligenzen zu suchen, gilt aber als verschollen, nachdem jeder Funkkontakt abgebrochen ist. Schließlich deuten gigantische elektromagnetische Entladungen und Nachrichten darauf hin, dass Clifford McBride noch am Leben ist und irgendwelche Antimaterie-Experimente für die zerstörerischen „Wellen“ verantwortlich sind.

Der emotionale Kontakt zwischen Roy und seinem Vater scheint bereits länger abgebrochen, sofern er überhaupt einmal bestanden hat. Ebenfalls unfähig, tiefere Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen, bricht Roy zu einer geheimen Mission auf, die das Schicksal seines Vaters klären, die Quelle der Zerstörung deaktivieren und das Verhältnis zu seinem Vater klären soll. Diese interplanetare Odyssee verdankt viel Filmen wie Gravity, Interstellar oder First Man, ohne jedoch deren Intensität zu erreichen und den Zuschauer wirklich mitfühlen zu lassen. Um philosophische oder metaphysische Dimensionen des Film zu erkennen, fehlt mir nach einmaligem Anschauen wohl die richtige Antenne, übrig bleiben vor allem „family matters in space“. Warum Roy seine emotionale Katharsis ausgerechnet am Neptun erleben muss, wo aus dem Vater ein griesgrämiger Space Öhi geworden ist, wäre eine Frage, die ich Regisseur James Gray und seinen Ko-Drehbuchschreiber Ethan Gross gerne stellen würde.

Sonntag, September 22, 2019

Mama KI

I am Mother ist der erstaunliche Erstlingsfilm des australischen Regisseurs Grant Sputore, der auch für die zugrundeliegende Geschichte verantwortlich zeichnet. Ihm ist ein atmosphärisch dichtes Science-Fiction-Kammerspiel voller überraschender Wendungen gelungen, das an Ex Machina denken lässt. Doch die robotische Mutter-Tochter-Geschichte in einer postapokylptischen Welt erhält eine zusätzliche transzendente Note, weil sich die Mutter eben nicht nur auf den (genial durch einen Menschen animierten) Roboter beschränkt, sondern wie eine omnipräsente Urmutter einer neuen, perfektionierten Menschheit agiert.

Mutterliebe und Maschinenlogik geraten in Konflikt, als eine verwundete Frau aus der Außenwelt in die hermetische geschützte Welt von Robotermutter und Menschentochter eindringt (und mit ihrer Marien-Verehrung eine religiöse Dimension hineinbringt). Die Geschichte erhält ihre Spannung nicht aus explosiver Action, sondern daraus, dass die Ratio, nach der die Robotermutter handelt, nach und nach enthüllt wird und sich die individuelle Wärme, die sie zu Beginn ausstrahlt, in unmenschlich konsequente Kälte wandelt.

Sonntag, September 08, 2019

Die Liebe zu einer Orange

Ein Jahr nach dem Jungen Theater im Zwinger in Heidelberg bringt das Nationaltheater Mannheim seine eigene Version von Jewgenij Samjatins Dystopie WIR von 1920 auf seine Werkbühne. Die Besetzung ist auf zwei reduziert, dafür ist das Bühnenbild noch wandlungsfähiger als in der Heidelberger Inszenierung. In Mannheim zieht Rocco Brück als D-503 die meiste Aufmerksamkeit auf sich, während Sarah Zastrau neben ihrer Rolle als I-330 weitere Nebengestalten verkörpert. Der eigenwilligste Einfall ist sicher, dass eine Orange die Rolle der O-90 übernimmt. Eine Anspielung auf Prokofjew?

Die Mannheimer Inszenierung ist beim Bühnenbild und den Kostümen deutlich weniger stilisiert als die des Heidelberger Jugendtheaters und wirkt beispielsweise durch das projizierte Laptop-Tagebuch aktueller. Aber beide Inszenierungen belegen, dass die Zeit von Samjatins visionären Text mittlerweile gekommen ist. Das ist nicht zwingend begrüßenswert, aber die Gegenwart ist halt manchmal doch die Zukunft der Vergangenheit

Mittwoch, Juli 10, 2019

Woman in Black

Die dritte Fortsetzung von Men in Black, dem Sensationserfolg des Jahres 1997, besitzt etwas, das alle vier Teile eint: Kaum bin ich aus dem Kino raus, habe ich den Plot völlig vergessen. Die neuerliche Fortsetzung, die ohne Will Smith und Tommy Lee Jones auskommen muss, hat aber wieder genug Außerirdische und coole Sprüche für einen unterhaltsamen Kinoabend, nicht mehr und nicht weniger.

Das neue Agenten-Duo H und M (hat da eine Klamottenfirma gesponsert?), dargestellt von Chris Hemsworth  und Tessa Thompson verhandelt diesmal die Gender-Frage in der sehr männlich geprägten Welt der M.I.B. ... mit Ausnahme von Agent O (Emma Thompson). M steht ihren Mann und erweist sich als ebenbürtig zum über alle Maßen von sich eingenommenen H. Dies ist ein begrüßenswertes Signal und lässt für künftige Fortsetzungen die Agenten-Duos L und G oder B und T erwarten. Die Welt ist bunt, warum sollte es das Universum nicht sein?

Montag, Juli 08, 2019

Star Child, Growing Up

High Life der französischen Regisseurin Claire Denis ist wahrlich kein Popcorn-Kino, sondern fordert die Zuschauer mit meditativen bis drastischen Szenen, denen nichts Menschliches fremd ist - im positiven wie negativen Sinne. Auch wenn der Weltraum keine Anforderungen an Schnittigkeit stellt, ist das Raumschiff in High Life klobig und erscheint eher wie ein Gebäude mit einer WG pathologischer Gestalten in extremer Isolation und Abgeschlossenheit. Die Besatzung, darunter Monty (Robert Pattison), sind Teil eines wissenschaftlichen Experiments zur Energiegewinnung aus Schwarzen Löchern (doch doch, das ist zumindest physikalisch denkbar).

Claire Denis ist sicher nicht interessiert an den Schauwerten von Science-Fiction-Blockbustern, sondern lotet (zwischen)menschliche (Un)tiefen wie in einer moralischen Versuchsanordnung aus, deren Ausgang scheinbar offen bleibt. Counsellor Taramtam hat mit ihrem empathischen Gespür jedoch gewissermaßen eine Nachricht extrahiert, die möglicherwiese via Hawking-Strahlung aus dem dem supermassereichen Schwarzen Loch gesendet wurde: "Integrität siegt". Und Kubricks und Clarkes Sternenkind erhält eine interessante Neuinterpretation.

Sonntag, März 31, 2019

Willst du zuviel, nimm Vril!

Iron Sky war sicherlich eine Überraschung: Komische Science Fiction, die Nazi-Spuk und groteske Verschwörungstheorien mit durchaus treffenden Satirespitzen gegen gegenwärtige politische Zustände zusammenbringt, finanziert über Crowdfunding und finnische, australische und hessische Geldgeber, das hatte es so noch nicht gegeben. Die visuellen Schauwerte bei kleinem Budget ließen gnädig über etwaige dramaturgische Defizite hinwegschauen., und Udo Kier als Wolfgang Kortzfleisch war allemal das Eintrittsgeld wert.

Der unerwartete Erfolg ließ ein Sequel unvermeidlich erscheinen. Leider haben sich die Macher im Universum der Versatzstücke völlig verlaufen und dabei ständig auf konfuse Art die Tonlagen gewechselt: platter Slapstick, epigonal-pythoneske Passagen, Anleihen aus der utopischen Literatur des 19. Jahrhunderts (allen voran das filmuntertitelgebende The Coming Race von Edward Bulwer-Lytton) versetzt mit Verschwörungstheorien sowie diesmal reichlich aufgesetzter Zeitgeistkritik. Unabhängig davon, ob das trashige Durcheinander gewollt war oder nicht, kommt der Film einfach nicht in Fahrt und verheddert sich letztlich im Zuvril (sic) der Zutaten. Daran kann auch die sympathisch taffe Obi Washington nichts ändern. Ihr Vorname entfaltet beim Gedanken an Bauhaus und Bauhaus allerdings schon eine gewisse Komik.

Montag, März 25, 2019

Große Augen machen

Alita: Battle Angel kommt daher wie eine Mischung aus Ready Player One und Ghost in the Shell, ein aufwändiges Spektakel mit vielen Versatzstücken von Metropolis bis Rollerball, die aber mit Bedacht in einem keinesfalls seelenlosen Film verbaut sind. Das Ganze krankt nur ein wenig daran, dass die Handlung mit zu vielen Showdowns aufwartet und viels wegen des unweigerlich zu erwartenden Sequel unaufgelöst bleibt.

In Unkenntnis des zugrundeliegenden Mangas ergibt so manches im Film keinen rechten Sinn. Die Geschichte der Zukunftswelt, in der Dr. Dyson Ido die Überreste von Alita findet, bleibt in vieler Hinsicht rätselhaft. Was passierte beim "Fall"? Wer lebt in der schwebenden Stadt? In welcher Beziehung stehen die Bewohner der Unter- zu denen der Oberstadt? Wieso kämpfte Alita auf dem Mond? Und warum muss ein Kampfandroide ein feingliedriges Mädchen mit übergroßen Augen sein?

Das alles wird sich vermutlich erst im Sequel (oder den Sequels?) zeigen, dem (oder denen) man eine Chance geben sollte. Alita ist schon eine starke Figur (ähnlich etwa Leeloo in The Fifth Element), und Christoph Waltz weiß in seiner Rolle, wo der Hammer hängt. Oder ist Dr. Ido am Ende Walter Keane?

Stückwerk

The Lego Movie 2 ist durchaus das erwartete zweite kunterbunte Stückwerk, das der erste Film erwarten ließ. Doch diesmal geht der Bauplan nicht so fröhlich auf. LEGO und das deutlich grobnoppigere DUPLO vertragen sich nicht so recht. Rettung gilt es im Weltraum zu suchen. Doch die erhoffte gehörige Portion Science Fiction stellt sich dabei genau so wenig ein wie die anarchische Unbekümmertheit (oder unbekümmerte anarchie?) des ersten Teils. Darüber kann auch die Reprise des unkaputtbaren Ohrwurms Hier ist alles super (Everything is aweseome) nicht hinwegtäuschen. Doch der zweite Lego-Film ist allemal ein besseres Antidot gegen trübe Winterstimmung als Transformers. Und nicht vergessen: They come in pieces!

Sonntag, Februar 10, 2019

Zimmer frei

In My Room von Ulrich Köhler ist ein deutscher Endzeitfilm mit dem klassischen "Last Man on Earth"-Motiv, der erkundet, was in der Hauptperson Armin steckt ... oder eben auch nicht. Köhler inszeniert Armins vorapokalyptisches Leben in einer unbarmherzigen glanzlosen Realitätsnähe und zeigt, wie lakonisch er das Verschwinden der anderen Menschen zur Kenntnis nimmt. Er nutzt die Gelegenheit, um sein bisheriges Leben zurückzulassen, trifft auf die letzte Frau auf Erden und wird damit konfrontiert, dass er den Ballast seiner Persönlichkeit nach wie vor mit sich umherträgt. In My Room wirkt so wie eine Ziviliationskritik, die auf den Gefühlshaushalt des Individuums abzielt. Armins kernige Doofheit, die Hans Löw bravourös verkörpert, regt einen geradezu auf, und die Vertreibung ins Paradies lässt einen nicht kalt.