Donnerstag, April 28, 2011

Worse Inversion: Rattle Lost Angles

Das Rezept ist ganz einfach: Man nehme die Geschichte von Die Wasserdiebe aus dem Weltraum aus der Feder von Douglas Adams und John Lloyd, ersetze Doctor Snuggles und seine lustigen Freunde durch einen Trupp US-Marines und sympathisch-umweltbewusste Außerirdische durch H2O-gierige, ballersüchtige Weltraumschleimer, und schon wandelt sich ein 25-minütiges Trickfilmabenteuer für Jung und Alt in ein fast zweistündiges dumpf rumsendes Rumgewummer mit schrill-sirrenden Schießereien und krampfhaften Kampfphrasen. Kurzum: World Invasion: Battle Los Angeles ist ein filmisches Dumm-Dumm-Geschoss, das dicke Logiklöcher in ein spannungs- und humorfreies Trümmerfeld schlägt. Ba-Da-Boooom? Schlechter Ba-Da-Boooom!

Samstag, April 23, 2011

In ferner Zukunft, so nah

"Das Leben auf der Farm gefiel mir, denn hier kamen frische Lebensmittel auf den Tisch, die im Alltag Tōkyōs nur schwer zu beschaffen waren – für mich ein doppeltes Vergnügen, am Essen und am Kochen, da ich in der Küche bei der Zubereitung tätig war. Hühner und Eier, Ziegenmilch, Gemüse und Brot, alles kam von der Farm, und Mr Grass, der ursprünglich Ingenieur einer kalifornischen Lebensmittelfirma gewesen war, hatte dafür ein Kontrollsystem ausgetüftelt. Seine Aufgabe, die Sicherheit aus Japan importierter Fischkonserven zu überprüfen, hatte es ihm ermöglicht, mit den Aktivisten einer japanischen Bürgerbewegung Verbindungen anzuknüpfen; auf diese Weise hatte er Kazuko kennengelernt und geheiratet und sich schließlich auf dieser Hochebene in der Gumma-Präfektur niedergelassen. Da man bei Nahrungsmitteln, mit denen sich die Farm nicht selbst versorgte, unmöglich Null-Werte für Radioaktivität oder krebserregende Stoffe voraussetzen konnte, hatte man die Speisekarte der Kinder und Erwachsenen streng getrennt. Trotzdem zollte der Standard des von Mr Grass Erlaubten, verglichen mit den sogenannten offiziellen Richtlinien in der Hauptstadt, der Sicherheit eindeutig mehr Achtung."
Kenzaburō Ōe, Therapie Station [„Chiryō, tō“, 1990], Fischer, Frankfurt an Main, März 2011, S. 165


Das SfSFF wird vollzählig beim Sternmarsch auf Biblis dabei sein. Eingedenk der Tatsache, dass die strahlende Zukunft nichts Verheißungsvolles haben muss. Und nicht vergessen: Heute ist Welttag des Buches.

Dienstag, April 19, 2011

Was vom Körper übrigblieb

Der Erzählfluss von Alles, was wir geben mussten, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Kazuo Ishiguro, hat viel mehr mit Aldous Huxleys Island (1963) gemein als mit Alexander Livingstons Island (2005). Allen drei Werke gemeinsam ist das Inselmotiv der klassischen Utopischen Literatur. Genügte in Huxleys Zeiten noch eine Insel nahe Sumatra, präsentiert uns Ishiguro, der maßgeblich an der Verfilmung seines Romans mitgewirkt hat, dagegen ein aus der Zeit gefallenes Großbritannien als Parallelwelt, zusammen mit dem Internat Hailsham und den „Cottages“ als Inseln innerhalb der Insel. Regisseur Mark Romanek setzt die Parallelwelt dabei so subtil in Szene, dass der Film Gefahr läuft, bei oberflächlicher Betrachtung zur bloßen Dreiecksgeschichte zu verkommen. Das geschlossene Gesellschaftssystem, welches auf gezüchteten Organspendern ruht, kommt nur implizit zum Ausdruck, die „unerbittliche Härte des Systems“ (K. Taramtam) wird erst allmählich spürbar und kulminiert in einem unerbittlichen Bild, die Schicksalsergebenheit der Protagonisten, die sich bestenfalls an eine haltlos konstruierte Hoffnung klammern können, bleibt rätselhaft. Ist das Ganze am Ende vielleicht doch „eine echt gute Idee“ (M. Idüllüschön)?
Action ist diesem beeindruckend photographierten Film mit seinem hervorragenden Schauspielern, allen voran das Trio Carey Mulligan, Andrew Garfield und Keira Knightly, fremd. Wen die intellektuelle Spannung nicht packt, den wird das Geschehen auf der Leinwand vermutlich kalt lassen. Alle anderen dürfte die Geschichte so schnell nicht loslassen und mit tiefschürfenden Fragen konfrontieren. Etwa: Wie verhält sich Lebensglück zur Lebensspanne, auf wessen Kosten leben wir, in welchem System sind wir womöglich selbst gefangen? Die gelungenste Science Fiction führt uns vor Augen, dass die Gegenwart die wichtigste Zeit ist. Eine solche Science Fiction ist Alles, was wir geben mussten.