Der Erzählfluss von Alles, was wir geben mussten, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Kazuo Ishiguro, hat viel mehr mit Aldous Huxleys Island (1963) gemein als mit Alexander Livingstons Island (2005). Allen drei Werke gemeinsam ist das Inselmotiv der klassischen Utopischen Literatur. Genügte in Huxleys Zeiten noch eine Insel nahe Sumatra, präsentiert uns Ishiguro, der maßgeblich an der Verfilmung seines Romans mitgewirkt hat, dagegen ein aus der Zeit gefallenes Großbritannien als Parallelwelt, zusammen mit dem Internat Hailsham und den „Cottages“ als Inseln innerhalb der Insel. Regisseur Mark Romanek setzt die Parallelwelt dabei so subtil in Szene, dass der Film Gefahr läuft, bei oberflächlicher Betrachtung zur bloßen Dreiecksgeschichte zu verkommen. Das geschlossene Gesellschaftssystem, welches auf gezüchteten Organspendern ruht, kommt nur implizit zum Ausdruck, die „unerbittliche Härte des Systems“ (K. Taramtam) wird erst allmählich spürbar und kulminiert in einem unerbittlichen Bild, die Schicksalsergebenheit der Protagonisten, die sich bestenfalls an eine haltlos konstruierte Hoffnung klammern können, bleibt rätselhaft. Ist das Ganze am Ende vielleicht doch „eine echt gute Idee“ (M. Idüllüschön)?
Action ist diesem beeindruckend photographierten Film mit seinem hervorragenden Schauspielern, allen voran das Trio Carey Mulligan, Andrew Garfield und Keira Knightly, fremd. Wen die intellektuelle Spannung nicht packt, den wird das Geschehen auf der Leinwand vermutlich kalt lassen. Alle anderen dürfte die Geschichte so schnell nicht loslassen und mit tiefschürfenden Fragen konfrontieren. Etwa: Wie verhält sich Lebensglück zur Lebensspanne, auf wessen Kosten leben wir, in welchem System sind wir womöglich selbst gefangen? Die gelungenste Science Fiction führt uns vor Augen, dass die Gegenwart die wichtigste Zeit ist. Eine solche Science Fiction ist Alles, was wir geben mussten.
1 Kommentar:
Werter Kollege Loesel, mit diesem ebenso stimmungsvollen wie angemessenen Beitrag haben Sie mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Im Übrigen hält mich tatsächlich das inselhafte Leinwandgeschehen noch immer in seinem Bann - ein wahrhaft beeindruckendes Werk. Ihre Kati Taramtam
Kommentar veröffentlichen