Sonntag, Dezember 11, 2011

Doppelt geerdet

Während derzeit Astrophysiker auf der Suche nach einer zweiten Erde außerhalb unseres Sonnensystems sind, erscheint in Another Earth eine zweite Erde am Himmel. Diese gleicht auf dem ersten Blick "unserer" Erde, aber tut sie das auch auf dem zweiten, genaueren Blick? Leben dort die gleichen Menschen das gleiche Leben?

Vor diesem Hintergrund entfaltet Regisseur Mike Cahill.(in Kollaboration mit der bezaubernden Hauptdarstellerin Brit Marling) eine Geschichte um Schuld und Sühne, die durch die zweite Erde eine wahrhaft neue Dimension erhält. Mit geringem Budget entsteht so eher ein "Metaphysical Fiction"- als ein Science Fiction-Film, der ohne vordergründige Action eine intellektuelle Spannung erzeugt, die bis zum überraschenden Schluss anhält.

Man fühlt sich an Solaris erinnert, insbesondere an die Version von Steven Soderbergh, und doch geben Cahill und Marling dem Ansatz, uns durch eine Parallelwelt einen Spiegel vorzuhalten, einen originellen Dreh und eine individuellere Perspektive, die nachwirkt.

Die Sache mit dem Ding

The Thing (2011) ist das Prequel zu The Thing (1982), das weniger eine neue Version von The Thing (1951) als eine konsequentere filmische Adaption des Science Fiction-Kurzromans Who goes there? (1938) von John W. Campbell ist.  Die neueste Filmversion zeigt zwei Dinge: Die Tricktechnik ist immer besser geworden und je mehr man sieht, umso weniger ängstigt man sich. Und so erhalten wir von Regisseur Matthijs van Heijningen Jr. einen zwar technisch kompetenten, aber letzlich lauen Neuaufguss, der visuelle brillante (und eklige) Horrorwesen zeigt, aber die Macht der subtilen Suggestion von Schrecken vollkommen ignoriert. Das Musterbeispiel dafür, wie man es richtig macht, lieferte Ridley Scott mit Alien (1979). Nachhaltige Angst entsteht im Kopf, vordergründiger Ekel geht ins Auge.

Montag, November 21, 2011

Werde Held von Kosmos!

Hab ich gedacht, Ijon Tichy von Fernsehen, ist gemacht von Qualitätigkeit und Unterhaltigkeit, aber Staffel zum Zweiten? Unerwartig! Doch ist Wunder von Kosmos, Erwartigkeit ist Enttäuschung, kommt doch, schaust Du?

Montag, November 07, 2011

Wenn der Vater mit dem Sohne Reloaded

Wer Transformers gesehen hat, der wird bei der Vorschau von Real Steel keine guten Erwartungen gehegt haben. Boxende Roboter? Wer braucht sowas? Bringt ein solcher Film das Science Fiction-Genre weiter? Nein, aber das macht nichts, wenn man statt einer lärmenden Blechorgie eine familientaugliche Geschichte mit Hirn und Herz serviert bekommt. Zwar stand die Kurzgeschichte Steel von Richard Matheson (Autor von "I Am Legend") Pate, aber der Zukunftsaspekt ist neben den hochentwickelten Boxrobotern nur noch im Computerequipment und dem Anblick eines anscheinend ökologisch korrekten Amerikas (Windräder überall und Sonnenkollektoren auf dem Lastwagendach) spürbar. Hier haben wir vielmehr Wenn der Vater mit dem Sohne in der Version für das 21. Jahrhundert. Ein Filmmärchen, das nicht übermäßig rührselig daherkommt und mit sympathischen Charakteren (und erstaunlicherweise Roboter) aufwarten kann. 12-jährige dürften ihren Spaß am Film haben, Erwachsene sich am Anblick von Charlie oder Bailey erfreuen. Go, Atom go!

Sonntag, Oktober 16, 2011

Lie me 'bout the Moon

Apollo 18 von Gonzalo López-Gallego dürfte mit geschätzten fünf Millionen Dollar Kosten die billigste Mission des Mond-Programms der NASA gewesen sein. Leider ist es auch die Langweiligste. Das ist schade, denn Schnitt und Verfremdung des angeblich gefundenen originalen Filmmaterials der geheimen 7. Mond-Landung deuten darauf hin, dass hier mehr drin gewesen wäre. Mit echtem Filmmaterial von Apollo 14 bis 17 hätte man in vergleichbarer Machart eine ungewöhnliche Dokumentation über die weithin ignorierten letzten Apollo-Missionen drehen können. So landet nur das Blair Witch Project auf dem Erdtrabanten und gruselt sich weniger als bei Peterchens Mondfahrt. Houston, we've had a bore!

Donnerstag, September 29, 2011

The Road to Hell

"Sunny, yesterday my life was filled with rain", diese altbekannte Liedzeile gewinnt eine ganz neue Lesart, wenn man Hell gesehen hat, eine wirklich sehenswerte Produktion, weit weg vom Gute-Laune Kino.

Die Welt ist durch die Sonne verbrannt, die überlebenden Menschen irren umher auf der Suche nach Wasser, Nahrung und Benzin. Das gleißende Endzeit-Szenario hat der junge Regisseur Tim Fehlbaum in seinem ersten Langfilm visuell mehr als überzeugend umgesetzt. Der Film hält konsequent ein hohes Spannungsniveau, die Figuren agieren plausibel, die Trostlosigkeit nimmt einen als Zuschauer durchaus mit.

Doch im Nachhinein überzeugt mehr die formale Leistung, denn überraschend sind die Motive nicht. Zu sehr folgt der Film der Verfilmung des Cormack McCarthy-Romans The Road. Dem deutschen "Remake" fehlt es trotz drastischer Szenen mit einem Bolzenschussgerät an Durchschlagskraft. Die Schwestern Marie und Leonie laden die Handlung emotional nicht so stark auf wie das Vater-Sohn-Gespann in The Road. Hell ist in seinem kompromisslosen Realismus überzeugend, ohne jedoch eine so starke Botschaft wie bei McCarthy zu vermitteln. Die "Hüter der Flamme" werden bei Fehlbaum von der filmischen Sonne überstrahlt.

Freitag, September 02, 2011

Quchjaj qoSlIj, Mülli! Qapla'!

Dem schließt sich das Kollegium des SfSFF nur zu gerne an und gratuliert seinem verdienten Mitarbeiter Mülli Idüllüschön einmal auf Klingonisch zum Geburtstag:
Quchjaj qoSlIj, Mülli! Qapla'!

Can you hear me, Major Tom?

Ausnahmsweise erlaube ich mir den Hinweis zu einem Buch, das immerhin Science Fiction-Bezug hat. Der Illustrator Andrew Kolb hat den Song Space Oddity von David Bowie so hinreißend als Bilderbuch umgesetzt, das einem ein Mangel aufstößt: Das Buch hat noch keinen Verleger und ist darob nicht erhältlich. Der Bitte von Kolb, dieses der Welt kund zu tun, komme ich gerne nach.

Mittwoch, August 31, 2011

Avaschlumpf

Neytiri: Jake, was hat uns Avatar eigentlich gebracht?
Jake: Ich weiß es nicht, aber ich habe so eine Ahnung, dass eine Rasse nach uns kommen wird.
Neytiri: Werden sie auch blaue Hautfarbe haben?
Jack: Ja, und sie werden auch in 3D kommen...

Dienstag, August 23, 2011

Your are, I understand, an astronaut...

Das SfSFF trauert um
Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow a.k.a. Loriot
 (*12.11.1923,  † 22.8.2011)

Die Nachricht tut mir gar nicht wohl,
Doch schön, der Abgang sanft und leise,
Wahre Komik ist ein Pirol,
Comedy nur eine Meise.

Mittwoch, August 17, 2011

5 Freunde e.t. Al.

Verfilmtes Spielzeug à la Transformers hinterlässt das schale Gefühl, dass man schon 12 sein muss, um ohrenbetäubende Roboterprügeleien gut finden zu können. Super 8 von J. J. Abrams gelingt dagegen das Kunsstück, dass man sich aufrichtig wünscht, wieder 12 zu sein. Diese von Steven Spielberg produzierte Hommage an Steven Spielberg beschwört - in weiten Teilen - wieder den unschuldigen Zauber des Filmemachens - und einer ebenso altmodischen wie wirkungsvollen Art, Geschichten zu erzählen.

Wenn fünf Freunde und ein Mädchen im Jahr 1979 versuchen, mit einfachsten Mitteln einen Zombie-Film zu drehen und dabei in eine militärische Verschwörung geraten (über die hier nicht mehr verraten werden soll), dann entgleist die reizvolle Geschichte nur dann, wenn sich moderner "production value" zu sehr in den Vordergrund drängt. Dennoch dürfte dieser Film all diejenigen erfreuen, die wie ich im Jahr 1982 glänzende Augen bekamen, als sie zum ersten Mal E.T. sahen. Wahre Kinoträume sind halt immer noch analog...

P.S. Wer bei Super 8 vor dem Abspann geht, ist doof!

Donnerstag, Juli 28, 2011

Ape and Absence

Es gibt Se- bzw. Prequels, die eigentlich niemand so recht auf dem Schirm hatte. Tron Legacy gehört dazu, aber auch Terminator Salvation, Superman Returns, Star Trek XI oder Titanic II. Nicht immer ist das Unerwartete schlecht, daher dürfen wir gespannt sein, was vom Prequel Planet der Affen: Prevolution (Kinostart 11. August 2011) zu der Neuauflage des ersten Teils der fünfteiligen Film-Saga nach dem Roman von Pierre Boulle (La Planète des Singes, 1963) zu erwarten sein wird. Wer an die beeindruckende Schlusspointe des ersten Planet der Affen-Films mit Charlton Heston denkt (die im Gegensatz zur eher misslungenen Burton-Verfilmung nicht dem Roman-Schluss entspricht), der wird sich allerdings fragen, ob er irgendeine mehr oder weniger plausible Vorgeschichte sehen muss. P.S.

Das SfSFF wird sich diesen Film jedoch sicher nicht entgehen lassen, wie auch die Folgenden:
Super 8 von J. J. Abrams (Kinostart 4. August 2011)
Cowboys & Aliens von Jon Favreau (Kinostart 25. August 2011)
Apollo 18 von Gonzalo López-Gallego (Kinostart USA 2. September 2011)

Ich danke dem Wildwest-Beauftragten des SfSFF, Mülli Idüllüschön, für den Hinweis auf Cowboys & Aliens und der von mir hochgeschätzten Esmeralda Beate Skiwskibowski für ihren Hinweis auf Planet der Affen: Prevolution.

Donnerstag, Juni 30, 2011

Fahndung im Repeat-Modus

Duncan Jones lieferte mit seinem Erstling Moon ein intelligentes und atmosphärisch dichtes Kammerspiel ab. Mit Source Code gelingt ihm nun kompetente, kommerziell attraktivere und originelle Kinounterhaltung, die auf den zweiten Blick jedoch nicht allzu originell daherkommt. Zu sehr fühlt man sich an Filme wie Butterfly Effect, Deja Vu und durchaus auch Inception, Der Plan oder Minority Report erinnert, die mittlerweile fast schon ein eigenes Genre bilden, welches eine weitere Wirklichkeit hinter der alltäglichen Wirklichkeit erkundet, Schlupflöcher aus dem unbarmherzigen Trott erkundet und Zeitschleifen und Traumebenen in das Raumzeitkontinuum des Alltags einbaut.

In Source Code lässt sich die Zeit durch eine Repeat-Taste aushebeln. Ein durchaus faszinierender Gedanke, der zwar wenig plausibel ist und Logiklöcher provoziert, aber durchaus geeignet ist für einen unterhaltsamen Film. Jones verliert sich dabei nicht im Effekthascherischen, setzt seine beiden Hauptdarsteller sympathisch in Szene, lässt aber den Rest des Ensembles eher als Staffage erscheinen. Die ständige Wiederholbarkeit der entscheidenden acht Minuten nagt an der Spannung, die durch die Frage "Kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht?" kaum gesteigert wird.

Aber auch wenn der Zweitling nicht völlig befriedigt, hat Duncan Jones durch sein Spiel mit dem Quellcode des Filmemachens gezeigt, dass sicher noch einiges von ihm zu erwarten sein dürfte. Das SfSFF wird seinen weiteren Weg aufmerksam im Auge behalten.

P.S. Dies ist der 150. Post des SfSFF-Blogs! Ein Grund zum Feiern, wie ich meine!

Freitag, Juni 03, 2011

Abenteuer im Quellcode des Seins

Alle Mitglieder des SfSFF warten schon gespannt auf das kommende Wochenende, das nicht etwa nur einen weiteren Sichttermin, sondern einen geradezu multimedialen Mix verspricht:
  • Am Samstagabend befassen wir uns mit einer metaphysischen Frage, die nur jemand wie der der Puppenspieler Rene Marik stellen kann: "Hage? Jemand ze Hage?". Es geht, wie nicht anders zu erwarten, um die Maulgeworfenheit des Seins.
  • Am Sonntag befassen wir uns dann im Rahmen der Ausstellung Serious Games in der Darmstädter Mathildenhöhe mit der "Militarisierung der Imagination". Nicht ganz klar ist, warum die Ausstellungsmacher den Irakkrieg in das Jahr 1992 verlegen. Leben wir in einer Parallelwelt à la Philip K. Dick?
  • Der eigentliche Sichttermin folgt dann im Anschluss an die Ausstellung mit Source Code, dem zweiten Film von Duncan Jones, der mit Moon wohl den besten Science Fiction-Film des Jahres 2010 inszeniert hat. Daher sind wir besonders gespannt auf den Zweitling des vielversprechenden Regie-Talents.

Donnerstag, Mai 19, 2011

Reach out for ... Metropolis

Dem aus Südtirol stammenden Musikproduzenten Giorgio Moroder, bekannt geworden als Filmkomponist, verdanken wir eine höchst ungewöhnliche Fassung von Fritz Langs Metropolis: stark gekürzt und eingefärbt, mit Synthesizerklängen und Popmusik als Soundtrack, mit Unter- statt Zwischentiteln und teilweise sogar mit ergänzten neuen Bildern (z. B. das Denkmal der Hel).
Das alles scheint es einfach zu machen, diese „verstümmelte Version“ von Metropolis als Trash-Verirrung der ästhetisch fehlgeleiteten Achtzigerjahre zu verschmähen. Doch wer dies tut, der verkennt, dass man bei Giorgio Moroders Metropolis-Rekonstruktion von „einer authentischen Fassung sprechen [kann], in der der Handlungsfaden des Originals erkennbar bleibt“ (Lexikon des Science Fiction-Films). Moroder trug dafür Filmmaterial aus den unterschiedlichsten Quellen zusammen und stellte 1984 anhand der Szenenbeschreibungen der Premierenpartitur der Filmmusik die bis dahin kompletteste Fassung seit der Uraufführung zusammen.
Am 15. Mai 2011 zeigte das Filmtheater der Murnau-Stiftung in Wiesbaden diese selten gezeigte Metropolis-Fassung anlässlich des Filmstarts der rekonstruierten Version.Die SfSFF-Mitarbeiter Idüllüschön und Lösel haben sich davon überzeugen können, dass Moroder eine wirklich kurzweilige und inhaltlich stimmige Version gelungen ist, die einen wichtigen Platz in der Rekonstruktions- wie Rezeptionsgeschichte von Metropolis verdient.

Montag, Mai 16, 2011

Neustart in Lang

84 Jahre nach der Uraufführung kommt Fritz Langs monumentaler Meilenstein der Filmgeschichte
und ist dort fast wieder in seiner ursprünglichen Länge zu bewundern.
P.S. Am 15.5. wird im Filmtheater der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden auch die Metropolis-Fassung von Giorgio Moroder zu sehn sein.

Donnerstag, April 28, 2011

Worse Inversion: Rattle Lost Angles

Das Rezept ist ganz einfach: Man nehme die Geschichte von Die Wasserdiebe aus dem Weltraum aus der Feder von Douglas Adams und John Lloyd, ersetze Doctor Snuggles und seine lustigen Freunde durch einen Trupp US-Marines und sympathisch-umweltbewusste Außerirdische durch H2O-gierige, ballersüchtige Weltraumschleimer, und schon wandelt sich ein 25-minütiges Trickfilmabenteuer für Jung und Alt in ein fast zweistündiges dumpf rumsendes Rumgewummer mit schrill-sirrenden Schießereien und krampfhaften Kampfphrasen. Kurzum: World Invasion: Battle Los Angeles ist ein filmisches Dumm-Dumm-Geschoss, das dicke Logiklöcher in ein spannungs- und humorfreies Trümmerfeld schlägt. Ba-Da-Boooom? Schlechter Ba-Da-Boooom!

Samstag, April 23, 2011

In ferner Zukunft, so nah

"Das Leben auf der Farm gefiel mir, denn hier kamen frische Lebensmittel auf den Tisch, die im Alltag Tōkyōs nur schwer zu beschaffen waren – für mich ein doppeltes Vergnügen, am Essen und am Kochen, da ich in der Küche bei der Zubereitung tätig war. Hühner und Eier, Ziegenmilch, Gemüse und Brot, alles kam von der Farm, und Mr Grass, der ursprünglich Ingenieur einer kalifornischen Lebensmittelfirma gewesen war, hatte dafür ein Kontrollsystem ausgetüftelt. Seine Aufgabe, die Sicherheit aus Japan importierter Fischkonserven zu überprüfen, hatte es ihm ermöglicht, mit den Aktivisten einer japanischen Bürgerbewegung Verbindungen anzuknüpfen; auf diese Weise hatte er Kazuko kennengelernt und geheiratet und sich schließlich auf dieser Hochebene in der Gumma-Präfektur niedergelassen. Da man bei Nahrungsmitteln, mit denen sich die Farm nicht selbst versorgte, unmöglich Null-Werte für Radioaktivität oder krebserregende Stoffe voraussetzen konnte, hatte man die Speisekarte der Kinder und Erwachsenen streng getrennt. Trotzdem zollte der Standard des von Mr Grass Erlaubten, verglichen mit den sogenannten offiziellen Richtlinien in der Hauptstadt, der Sicherheit eindeutig mehr Achtung."
Kenzaburō Ōe, Therapie Station [„Chiryō, tō“, 1990], Fischer, Frankfurt an Main, März 2011, S. 165


Das SfSFF wird vollzählig beim Sternmarsch auf Biblis dabei sein. Eingedenk der Tatsache, dass die strahlende Zukunft nichts Verheißungsvolles haben muss. Und nicht vergessen: Heute ist Welttag des Buches.

Dienstag, April 19, 2011

Was vom Körper übrigblieb

Der Erzählfluss von Alles, was wir geben mussten, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Kazuo Ishiguro, hat viel mehr mit Aldous Huxleys Island (1963) gemein als mit Alexander Livingstons Island (2005). Allen drei Werke gemeinsam ist das Inselmotiv der klassischen Utopischen Literatur. Genügte in Huxleys Zeiten noch eine Insel nahe Sumatra, präsentiert uns Ishiguro, der maßgeblich an der Verfilmung seines Romans mitgewirkt hat, dagegen ein aus der Zeit gefallenes Großbritannien als Parallelwelt, zusammen mit dem Internat Hailsham und den „Cottages“ als Inseln innerhalb der Insel. Regisseur Mark Romanek setzt die Parallelwelt dabei so subtil in Szene, dass der Film Gefahr läuft, bei oberflächlicher Betrachtung zur bloßen Dreiecksgeschichte zu verkommen. Das geschlossene Gesellschaftssystem, welches auf gezüchteten Organspendern ruht, kommt nur implizit zum Ausdruck, die „unerbittliche Härte des Systems“ (K. Taramtam) wird erst allmählich spürbar und kulminiert in einem unerbittlichen Bild, die Schicksalsergebenheit der Protagonisten, die sich bestenfalls an eine haltlos konstruierte Hoffnung klammern können, bleibt rätselhaft. Ist das Ganze am Ende vielleicht doch „eine echt gute Idee“ (M. Idüllüschön)?
Action ist diesem beeindruckend photographierten Film mit seinem hervorragenden Schauspielern, allen voran das Trio Carey Mulligan, Andrew Garfield und Keira Knightly, fremd. Wen die intellektuelle Spannung nicht packt, den wird das Geschehen auf der Leinwand vermutlich kalt lassen. Alle anderen dürfte die Geschichte so schnell nicht loslassen und mit tiefschürfenden Fragen konfrontieren. Etwa: Wie verhält sich Lebensglück zur Lebensspanne, auf wessen Kosten leben wir, in welchem System sind wir womöglich selbst gefangen? Die gelungenste Science Fiction führt uns vor Augen, dass die Gegenwart die wichtigste Zeit ist. Eine solche Science Fiction ist Alles, was wir geben mussten.

Sonntag, März 20, 2011

Spin-Doctors der Schöpfung

[Enthält Spoiler!] Ja ja, der freie Wille. Wie oft fühlen wir uns ganz und gar nicht frei, sondern eher als Marionetten von sozialen Zwängen oder Mächten, die, wenn man einmal an den Arbeitgeber oder die Familie denkt, gar nichts Übernatürliches haben müssen. Auch der aufstrebende Jungpolitiker David Norris (Matt Damon) kann sich in Der Plan nur nach einer Wahlschlappe endlich einmal von seinen Beratern frei machen, inspiriert von der Begegnung mit der bezaubernden Elise (Emily Blunt). Doch dann macht ein Blick hinter die Kulissen der Realität der aufkeimenden Liebe einen Strich durch die Rechnung. David erhält Einsicht in "Den Plan", dessen Urheber im Nebulösen bleibt, und dessen Handlanger, graue Männer mit Hut, eher bürokratisch und resigniert als auftrumpfend mächtig daher kommen. Momo lässt grüßen, und neben Brazil kommt einem auch Dark City in den Sinn.

Philip K. Dicks Kurzgeschichte The Adjustment Team bietet einen beeindruckenden Blick auf eine zerbröselnde Wirklichkeit, von dem man sich wünscht, dieser wäre einem auch in der Verfilmung vergönnt gewesen. Stattdessen bleiben David und Elise ungewöhnlich unbeeindruckt von ihrem neuen Wissen über die Welt. Selbst wenn einem nicht sofort einleuchtet, warum die beiden füreinander bestimmt sein sollen, reißt einen der romantische Schwung mit, getragen nicht zuletzt von der hinreißenden Emily Blunt. Man muss dabei allerdings leider an die Love conquers all-Version von Brazil denken, die ein Meisterwerk zerstört hätte.

Der Plan ist unterhaltsam und auch ohne große Knalleffekte spannend, aber man wird den Wunsch nicht los, dass sich George Nolfi getraut hätte, mehr verstörende und aufrüttelnde Elemente einzubauen, um den Blick in unsere "subjektiven Realitäten" zu schärfen. So wandelt sich der Film von einer Parabel über freien Willen und Fremdbestimmung zu einer Art "David Almighty" in der Nachfolge von Bruce und Evan. Doch immerhin versöhnt das Ende alle Romantiker im Publikum: Liebe ist einfach Plan los.

Montag, März 07, 2011

Love will keep us apart

The Adjustment Bureau ist der Erstlingsfilm von George Nolfi, der sich bislang mit Drehbüchern für Filme wie Timeline oder The Bourne Ultimatum weniger oder mehr einen Namen gemacht hat, und kommt nun endlich am 10. März 2011 in die deutschen Kinos, nachdem er schon einmal für den 7. Oktober 2010 angekündigt war. Weder das Filmplakat noch der flache deutsche Titel Der Plan lassen die literarische Vorlage erahnen, bei der es sich immerhin um Philip K. Dicks Kurzgeschichte Adjustment Team aus dem Jahr 1954 handelt (Faksimile der Erstveröffentlichung), ein wahrhaft welterschütterndes Verwirrspiel um freien Willen und Vorsehung. Wie sich Dicks Fantasie in das Korsett eines hollywoodtauglichen Plots pressen lässt, davon möchte sich das Kollegium des SfSFF selbstverständlich in einem Sichttermin überzeugen.

Mittwoch, Februar 23, 2011

Blue Grid oder Sam im Gitterland

Tron Legacy ist der Update des kommerziell nur mäßig erfolgreichen Kultfilms für Nerds: Tron. Die Fortsetzung beerbt das Original auf angemessene Weise: Die Schauwerte sind beeindruckend und Handlung wie Plausibilität sind ein Gebilde, dass es an Glaubwürdigkeit und Kohärenz mit den Statements von Karl Theodor zu Guttenberg aufnehmen kann. Allerdings ist Tron Legacy viel unterhaltsamer und kurzweiliger. Die Erlebnisse von Kevin und Sam Flynn im ominösen Cyperspace The Grid (‚Kevin: „The Grid. A digital frontier. I tried to picture clusters of information as they moved through the computer.”) haben kaum genug wissenschaftlichen Gehalt, um als Science Fiction durchzugehen. Vielmehr ähnelt der Plot Werken wie den Alice-Geschichten von Lewis Caroll oder Der Zauberer von Oz von Frank L. Baum. Wir wissen nicht, wo sich Kevin und Sam Flynn befinden, wir wissen nur: Es ist nicht Kansas und jede Logik ist ausgehebelt. Und man lernt noch mehr: Für das Grid muss man sich umziehen (lassen), und Isomorphe Algorithmen sind viel attraktiver als es der Name erwarten lässt. Also Augen auf, Großhirn runterfahren und rauf aufs Lichtrad!

Donnerstag, Januar 06, 2011

Nature abhors a vacuum cleaner

Skyline ist ein Film, der das Prädikat hirnlos wirklich verdient. Trotz der teilweise beeindruckenden Tricktechnik hat er einen ausführlichen Verriss nicht verdient. Immerhin nimmt das Publikum nützliche Tipps mit nach Hause: Bei einer außerirdischen Invasion bitte Türen und Jalousien geschlossen halten! Und nicht ins blaue Licht starren.

"The dome, the bubbles, the blue light
Light, light, light, light
Blue light blue light
The seepage, the sewage, the rubbers, the napkins
Your ethos, your pathos
Your flag hole, your port-hole
Your language
You're frightened
Your future
You can't even speak your own fucking language
You can't read it anymore
You can't write it anymore
Your language
The future of your language
Your meat loaf
Don't let your meat loaf
Heh, Heh, Heh!"
(Frank Zappa, The Blue Light, 1980)

Danke Frank!

Dienstag, Januar 04, 2011

Blick zurück nach vorn

Das Filmjahr 2011 hat begonnen (davon soll im nächsten Post die Rede sein), eine gute Gelegenheit, um eine Bilanz für 2010 zu ziehen. Das machen wir wie für das Jahr 2009 mit einer Amazon-Liste, welche alle Sichttermine, die durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SfSFF wahrgenommen worden sind, wiederspiegelt, mit all ihren Höhen (z. B.Metropolis, Moon) und Tiefen (z. B. Predators, Die kommenden Tage).